Die Geschichte des ersten Unverpackt-Ladens im Landkreis Esslingen…

Im Juli 2018 begann eine Reise, die ich anfangs noch eher als kühnen Gedanken und Anregung auffasste – ein kleiner Stammtisch einiger SPD-naher Bekannter machte sich auf den Weg nach Tübingen, um den dortigen Unverpackt-Laden Speicher näher anzusehen. Rasch überzeugt von der Idee wollten wir nicht nur politische Forderungen suchen, sondern selbst zur Tat schreiten: Die Idee eines eigenen Unverpackt-Ladens für Nürtingen war geboren.

Im Oktober ging es auch schon los. Im Freundes- und Bekanntenkreis hatten wir einmal unverbindlich für die Initiative geworben. Rund 20 Interessierte waren im kath. Jugendreferat in Nürtingen zusammengekommen. Überrascht und angespornt von der Resonanz intensivierten wir, die Initiative für einen Unverpackt-Laden, die Aktivitäten. Email-Verteiler und Pressemitteilung sollten uns in der Öffentlichkeit weiter bekannt machen. Zudem teilten wir uns bereits in mehrere Arbeitsgruppen auf und bildeten ein enges Koordinierungsteam. Wichtig war uns allen voran, dass hier ein nachhaltiges, aber auch ein soziales Projekt gelingen sollte. Viele Schüler*innen und Student*innen mit keinem großen Geldbeutel interessierten sich und wollten wir mit dem Laden auch praktisch einbeziehen – vom preislichen Gefüge bis hin zur konkreten Mitarbeit.

Bei der ersten öffentlich beworbenen Veranstaltung im Generationentreff Z im Dezember waren es schon rund 40 Personen, quer durch alle Generationen, die sich interessierten. Die Arbeitsgruppen und Mailverteiler füllten sich. Die eigentliche Arbeit begann nun zum Jahreswechsel ins Jahr 2019. Von Name und Logo über die Rechtsform bis hin zu einem Businessplan und der späteren Ladenausgestaltung musste vieles neu überlegt werden. In einem beeindruckenden Engagement einer großen Mannschaft wurde das Projekt gestemmt. Im Rahmen einer Klausurtagung im April 2019 wurde dann eine wichtige Weiche gestellt: Als Genossenschaft sollte der Laden gegründet werden, der jüngst nach einer Abstimmung unter den Initiatoren Glas & Beutel genannt wurde. Damit erhofften sich alle neben dem erforderlichen Kapital vor allem einen Kulturwandel weg vom bloßen Konsum hin zu einer partizipativeren Einkaufskultur („Prosument“).

Am 07. Juni 2019 war es dann soweit. Die Genossenschaft „Glas & Beutel – Unverpackt Nürtingen eG iG“ (in Gründung) wurde gegründet. Vorstand und Aufsichtsrat wurden in der Gründungsgeneralversammlung gewählt. Damit war die zukünftige Trägerin auf den Weg gebracht und die eigentliche Arbeit sollte beginnen: An vielen Samstagen wurden zahllose Interessierte als Mitglieder der Genossenschaft geworben. Parallel dazu arbeiteten die Arbeitsgruppen auf hochtouren.

Bereits Anfang Juli war dann klar: Die Marktstraße 10 wird das neue zuhause des Ladens werden. Damit konnte auch ein wichtiges Grundanliegen der Initiative erfüllt werden: Von Beginn an war anvisiert, auch einen Beitrag zur Innenstadtbelebung zu leisten – auf eine atypische und neuartige Weise.

Nach mehreren Roadshows zur Vorstellung des Projekts und zur Unterstützendengewinnung ging es dann in den Sommerferien los: Der Laden sollte von und mit den Ehrenamtlichen gemeinsam eingerichtet werden. Über Wochen verbrachte meine Vorstandskollegin Rena Junginger praktisch im Laden, gemeinsam mit vielen ehrenamtlich helfenden Händen.

Ab Mitte September stellten wir unsere ersten beiden Mitarbeiterinnen ein. Und dann ging es auch alles ganz schnell: Erstbestellungen, Inneneinrichtung, Eröffnungsbewerbung, Organisation der Eröffnungsveranstaltung, Ehrenamtliche Helferplanung, Bewerbung und Interviews zur Begründung des Ladens, Preisdefinition, Hygienekonzept, Abfüllkonzept, usw.

Am 24.10.2019 war es dann endlich soweit – die Glas & Beutel eröffnete seine Pforten. Mit der hervorragend besuchten Eröffnungsfeier am Samstag, 26.10.2019 gemeinsam mit Umweltminister Untersteller, OB Dr. Fridrich und vielen Helfer:innen wurden wir in Nürtingen willkommen geheißen.

Inzwischen besteht Glas & Beutel nun seit bald fünf Jahren… und ich kann unzählige Begegnungen mit vielen Engagierten und Kund:innen, sowie zahllose Veranstaltungen zurückblicken. Ich freue mich, dieses Projekt bis heute begleiten zu dürfen – und das unfassbar hohe und vielseitige Engagement vieler Nürtinger:innen hier unterstützen zu dürfen. Für mich ist es ein Musterbeispiel für das kreative Potential, das in bürgerschaftlichem Engagement zum Ausdruck kommen kann.

Hinter den fünf Jahren liegen aber auch einige Durststrecken, von der Corona-Pandemie bis hin zur Inflation infolge der Energiekrise. Ich hoffe, dass wir mit unserem Projekt dem weiter voranschreitenden Sterben des Handels in Innenstädten ebenso wie dem Rückgang der Unverpackt Läden in Nürtingen trotzen können und wir noch lange verpackungsfreie, regionale wie ökologisch hergestellte Produkte für Nürtingen vertreiben können. Aber nicht nur als Handelsgeschäft, sondern auch als Plattform für ehrenamtliches Engagement und viele weitere Projekte soll der Laden weiter zu einem nachhaltigen Nürtingen beitragen.

Mehr zu Glas & Beutel unter www.glasundbeutel.de.